Guter Stoff – böser Stoff Cholesterin im Faktencheck

By DR. VERONIKA KÖNIGSWIESER

Zeigt das Labor einen hohen Cholesterinwert, schrillen für betroffene Patienten die Alarmglocken – scheinen doch Arteriosklerose, Herzinfarkt und Schlaganfall bedrohlich nähergerückt zu sein. Doch das individuelle Risikoprofil lässt sich keineswegs aus dem Gesamtcholesterin ableiten, sondern ist vielmehr ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Faktoren.
Sogenannte Lipoproteine und deren Unterfraktionen spielen ebenso eine Rolle wie Grunderkrankungen und Genetik.
Umgekehrt wird der Einfluss cholesterinreicher Nahrung überschätzt.
Cholesterin ist eine lebenswichtige fettähnliche Substanz, die der Körper zu etwa 80% selbst herstellt, wobei diese Menge genetisch beeinflusst wird. Nur bescheidene 20% werden über die Nahrung aufgenommen.
Obwohl Cholesterin den Lipiden, also den Blutfetten, zugeordnet wird, ist es streng chemisch gesehen kein Fett, sondern ein polyzyklischer Alkohol mit einer Sterin-Gruppe.
Cholesterin kommt in praktisch allen Geweben unseres Körpers vor und findet sich in allen tierischen Nahrungsmitteln.
Pflanzliche Nahrungsmittel enthalten niemals Cholesterin. Die Aufschrift auf Pflanzenölen “cholesterinfrei” ist also keine Errungenschaft der Produktionsfirma sondern liegt in der Natur der Sache.

Cholesterin ist ein Tausendsassa mit vielfältigsten Aufgaben.

Ob Reparaturmechanismen, Bildung von Zellwänden, Gallensäuren oder den Steroid-Hormonen – ohne Cholesterin läuft nichts.
Es ist Teil des Baugerüsts der Zellmembranen und der Myelinscheiden der Nervenfasern.
Aus Cholesterin bildet die Leber die Gallensäuren. Diese gelangen mit dem Gallensaft in den Dünndarm und sind für die Fettverdauung unerlässlich.
Cholesterin ist der Grundbaustein für die Vorstufe von Vitamin D, die in der Leber hergestellt wird. Aus dieser Vorstufe wird dann das wirksame Vitamin D mithilfe von UV-Licht in der Haut gebildet.
Ohne Cholesterin könnten keine unserer Sexual- und Nebennierenrindenhormone synthetisiert werden.
In den Geschlechtsorganen und in der Nebennierenrinde ist Cholesterin eine wichtige Substanz bei der Herstellung dieser s.g. Steroid-Hormone.
Vitamin D wird übrigens auch zu dieser chemischen Gruppe dazugerechnet, ist also eigentlich ein Hormon und kein Vitamin!

Steroidhormon Wo wird es haupsächl. gebildet?
Östrogen und Progesteron Eierstöcke
Testosteron Hoden
Aldosteron, Cortisol Nebennierenrinde

Sich cholesterinfrei zu ernähren hat auf unseren Cholesterinspiegel nur einen relativ geringen Einfluss, da der Körper Cholesterin zu 80% selber herstellt und zwar in der Leber, der Nebennierenrinde und den Geschlechtsorganen.
Die Leber ist der Speicherort, an dem sich das Cholesterin aus der Nahrung und das Cholesterin aus der Eigensynthese mischen.
Lipoproteine transportieren Cholesterin
Als Transportmittel im Blut braucht es allerdings die sogenannten Lipoproteine, an die sich das Cholesterin bindet. Diese Lipoproteine – sie spielen eine entscheidende Rolle – werden entsprechend ihrer Dichte in HDL ( high density Lipoprotein), LDL (low density L.) und VLDL (very low density L.) unterteilt.
Die Guten und die Bösen
 Hohe Cholesterinwerte sind nicht unbedingt ein Auslöser für einen Herzinfarkt. Aber auch die allgemeine Meinung “Kein Cholesterin – kein Herzinfarkt” ist nicht ganz richtig.
LDL gilt gemeinhin als der Bösewicht, doch biochemisch genau betrachtet, sind es vielmehr bestimmte Untergruppen des LDL, die gefährlich werden können. Aufgabe der LDL Moleküle ist es, das Cholesterin von der Leber zu den Geweben zu transportieren.
Befindet sich mehr Cholesterin im Blut als die Zellen brauchen, besteht die Gefahr, dass ein Teil der Cholesterinfracht an den Arterienwänden kleben bleibt. Dies ist besonders an winzigen Entzündungsherden in der Gefäßwand der Fall.
Die ultrakleinen Fraktionen dieser gefährlichen Lipoproteine können sich am leichtesten zwischen die Endothelzellen der Gefäßwände bohren, besonders durch Vorgeschädigte.
Es gesellen sich Kalziumionen dazu und Fibroblasten, die alles zu einem kompakten arteriosklerotischen Plaque verweben. Das Resultat ist die Arteriosklerose und in der Folge die Verstopfung der Arterien.
Es wird in Fachkreisen diskutiert, ob das Cholesterin und seine Lipoproteine nicht von Entzündungsherden angezogen werden, in der Absicht, die Zellschäden vor Ort zu reparieren.
Cholesterin kommt dann als Schuldiger zum Handkuss, obwohl ganz andere Faktoren für die Gefäßwandschädigung verantwortlich sind. Das wäre dann so, als ob man die Polizei für die Straftat verantwortlich machen würde, zu der sie gerufen wurde, einfach, weil sie anwesend und sichtbar ist.
Aber  zum Glück  gibt es auch “die Guten”, die der Cholesterinablagerung entgegenwirken.
Diese guten Lipoproteine (HDL) können überschüssiges Cholesterin aus dem Gewebe zurück zur Leber transportieren und anhaftende Cholesterinmoleküle von den Arterienwänden lösen.

Was passiert mit den Fetten, also den Triglyceriden und dem Cholesterin, das wir essen?

Im Dünndarm werden sie ummantelt, um eine Emulsion bilden zu können. Bekanntlich mischen sich Fett und Wasser nicht, sondern es würden sich Fettaugen bilden. Um aber in der wässrigen Lymphe transportiert werden zu können und um zu verhindern, dass die Fettaugen die Gefäße verstopfen, muss das Fett als Emulsion vorliegen.
Das schaffen die Chylomikronen und die anderen Lipoproteine, die wie kleine Kapseln die Fettteile umschließen.
In dieser Form können die Fette in die Lymphgefäße des Darms gesaugt werden.
Diese Lymphbahnen münden über dem linken Schlüsselbein in die Blutbahn (Milchbrustgang oder Ductus thoracicus).
Ab nun heißen die Fette und das Cholesterin “Blutfette”.
Triglyceride sind das eigentliche „Fett“ im Blut, auch chemisch gesehen.
Sie werden mit tierischer und pflanzlicher Nahrung zugeführt, bzw. auch vom Körper selbst gebildet.
Das sind die wichtigsten Lipoproteine, die für den Transport der Blutfette verantwortlich sind:

  • Chylomikronen
  • VLDL
  • LDL
  • HDL

Persönliches Risikoprofil
Das Thema Cholesterinstoffwechsel ist allerdings viel zu komplex, um das individuelle Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall – entgegen der landläufigen Meinung – an einzelnen „bösen“ Werten festzumachen. Erst das Zusammenwirken mit anderen Faktoren erlaubt eine relevante Prognose.
Wichtiger als das Gesamt-Cholesterin isoliert betrachtet ist das erhöhte LDL-Cholesterin als Risikofaktor für Herzinfarkt und Schlaganfall heranzuziehen.
Das Verhältnis zwischen Gesamtcholesterin und HDL, aber auch von LDL und HDL sind interessante Messgrößen, aber von untergeordneter Bedeutung.
Grunderkrankungen wie Diabetes, hoher Blutdruck, Übergewicht und vor allem das Bauchfett zwischen den Organen spielen hingegen ebenso eine Rolle, wie Alter, Geschlecht und Genetik.
So gibt es beispielsweise eine familiär bedingte Hypercholesterinämie oder Hypertriglyzeridämie.
Auch in der Menopause erhöht sich der Cholesterispiegel durch die veränderte hormonelle Lage (Östogendominanz bzw. Progesteronmangel).
Ist die Schilddrüse zu wenig aktiv, hebt das den Cholesterinspiegel. Dieser normalisiert sich automatisch, wenn die Schilddrüse wieder in Schwung kommt.
Studien belegen weiters den Einfluss von chronischem Stress auf den Fettstoffwechsel.
Eine spannende Messgröße ist auch das oxidierte LDL.
Wenn viele gefährliche freie Radikale im Blut herumschwirren, werden nicht nur die Zellwände geschädigt, sondern auch das LDL oxidiert. Dieses messbare “Peroxi-LDL” gibt also Auskunft, ob Sie unter oxidativem Stress stehen.

Welche Laborwerte sind wirklich relevant für die Risikoeinschätzung für Arteriosklerose, Herzinfarkt und Schlaganfall?

   
Laborwerte Zielbereich maximal**
Gesamtcholesterin <200
LDL 115 mg/dl
HDL > 50mg/dl Männer, > 55 Frauen
Non-HDL (Chol. minus HDL) < 4,9
Lipoprotein (a) <50mg/dl
Triglyzeride <200
Lipid-Elektrophorese VLDL 3 bis 7 sollten negativ sein

Studien zeigten:
LDL, Non-HDL, Lipid-Elektrophorese sind bezüglich der Risikoeinschätzung am relevantesten.

Gesamt-Cholesterin Normwerte
Alter in: mg/dl   in: mmol/l
Unter 1 Jahr < 190 5,0
über 1 Jahr < 225 5,8
unter 20 Jahre < 170 4,4
20 – 30 Jahre < 200 5,2
30 – 40 Jahre <220 5,7
über 40 Jahre <240 6,2


Was lässt mein Cholesterin und Co ansteigen?

  • falsche Ernährung
  • Bewegungsmangel
  • Schilddrüsenunterfunktion
  • Insulinresistenz, Leptinresistenz, Diabetes
  • Leber-, Gallen- und Nierenerkrankungen
  • die Pille
  • Cortisonmedikation
  • Entwässerungspillen (Diuretika)
  • genetische Veranlagung

Aber auch zu niedrige Cholesterinwerte können ein Krankheitszeichen sein für

  • bösartige Tumorerkrankungen
  • Schilddrüsenüberfunktion
  • Leberschaden
  • chronische Infektionen

Zeigt der Laborbefund einen hohen Cholesterin und LDL Wert, empfiehlt sich jedenfalls ein weiterführender Test, um die Lipiduntergruppen zu bewerten (Lipoproteinprofil, Lipidelektrophorese im Speziallabor).
Hier können Sie sehen, ob Sie die ganz besonders gefährlichen VLDL 3 bis 7 erhöht haben.
Fettarme Ernährung hat wenig Einfluss
Wie ist nun der Einfluss der Ernährung auf den Cholesterinspiegel zu bewerten?
Bei dieser Frage ist im Auge zu behalten, dass nur 20% des Cholesterins durch Nahrung aufgenommen wird. Weder lassen Eier und Butter den Cholesterinwert in die Höhe schnellen, noch hilft eine fettarme Diät wesentlich. Letztlich bestimmen unsere Gene, wie viel Cholesterin gebildet wird, und wie gut die Leber LDL abbauen kann.
Aber!
Was du sehr wohl tun kannst, ist, mittels der richtigen Nährstoffe deine Gefäße zu schützen, und die gefährlichen Blutfette zu senken.

  1. Iss gesunde Fette:
    Omega 3 Fettsäuren: enthalten in fettem Fisch, bestimmten Algen und hochwertigen, kaltgepressten Ölen wie Leinöl und Hanföl. Ergänzend dazu ev. Fischöl-, Krillölkapseln (mehr darüber an anderer Stelle).
  2. Meide Transfette:
    Diese sind vor allem enthalten in Backwaren durch das Erhitzen von Pflanzenölen, die ungesättigte Fettsäuren enthalten. Optimal zum Backen und Braten: Kokosöl, Avocadoöl und mit Einschränkung Butter.
  3. Reichlich frisches Obst und Gemüse (5-10 Portionen pro Tag)
    Ergänzend dazu Antioxidantien wie Traubenkernextrakte (OPC, Obst- und Gemüsepulver oder Spezialsäfte).
  4. Reduktion der Kohlenhydrate:
    Low Carb-Ernährung, aber immer in Kombination mit Punkt 3!
  5. Rotes Reispulver wirkt wie ein natürliches Statin, nur ohne die Nebenwirkungen seines künstlichen Bruders. Es kann den LDL-Spiegel um 25% senken! Rot fermentierter Reis wird mit Hilfe eines Pilzes fermentiert, was heilsame Substanzen entstehen lässt.

Das sind die 3 Säulen, die die Basis jeder nachhaltigen Blutfett-beeinflussenden Therapie darstellen:

Ernährung – Bewegung – Psyche/Stressbewältigung

In einem der nächsten Artikel erfährst du noch mehr darüber, was du bei einem zu hohen Cholesterinspiegel tun kannst.